Doch
von Sabine
Nein
Doch nein doch
Doch doch doch
Oder doch nicht
Oder vielleicht
Oder meinetwegen
Oder ja
Oder doch
Ich weiß nicht, ich habe Recht, nein, doch, ich hab immer Recht. Oder nicht? Oder doch?
Doch bin ich da, doch rede ich laut, doch hör ich dir zu, doch unterbreche ich dich, doch verstehst du nicht, was ich sage, doch ist das sinnlos, doch lachst du gekränkt, oder doch nicht, doch reden wir noch miteinander, doch missverstehen wir uns, oder wollen uns missverstehen, doch leiden wir darunter, doch versuchen wir es, doch scheitern wir.
Doch schweigen wir uns an, doch reden wir und reden doch nicht. Doch ist es noch nicht zu spät, oder doch. Doch wir können uns noch retten, können reden ohne Ironie und Zynismus, doch fügen wir uns Verletzungen zu, gewollt oder ungewollt, wir wissen zu viel, ich weiß zu viel, über dich, über uns, du weißt zu viel, doch ich weiß zu wenig, denn ich verstehe dich nicht.
Ich verstehe dich nicht, warum nicht, es ist doch ganz einfach, wir lieben uns nicht mehr, oder doch, ich weiß es nicht, weiß noch nicht mal das, aber was tun wir dann, wenn wir uns nicht mehr lieben, oder doch, oder zu wenig, oder zu viel, aber zu viel, das gibt es nicht, oder doch.
Wir reden und die Worte fliegen durch den Raum, fliegen in unseren Köpfen und drehen sich dort im Kreis, bleiben gehört und doch nicht gehört, das gibt keinen Sinn, oder doch. Wir sehen uns an und doch nicht, wir sind da, und doch nicht, wir versuchen es wirklich und erreichen uns doch nicht.
Direkt vor mir und doch Lichtjahre entfernt, Welten voneinander getrennt, du in deiner, ich in meiner, es war mal eine Welt und dann sind die Kontinente auseinander gedriftet, langsam aber unaufhaltsam, am Anfang konnten wir es noch ignorieren, und dann doch nicht mehr, irgendwann gar nicht mehr, wir standen jeder am Rand seines Kontinents und riefen über den sich auftuenden Graben, he, komm doch rüber, nee, geht nicht, und geht nicht, heißt das ich will nicht? Oder doch? Es geht nicht und warum geht es nicht.
Wir standen am Rand des Kontinents und konnten uns nur noch schemenhaft erkennen. Die klare Gestalt löste sich auf, die Umrisse verloren sich im Nebel, in der Unendlichkeit, zerfaserten in der Bläue des Himmels, im Nirgendwo. Irgendwo im Nirgendwo, allein im Weltall, allein und doch nicht, denn du bist immer noch da, auch wenn du nicht da bist, oder doch, ein Teil von dir, ein Fetzen deiner Stimme, dein Geruch immer ein bisschen beißend, und doch und doch nicht.
Zwei Kontinente die mal einer waren, oder doch nicht, es bildeten sich feine Risse, ganz langsam, im Laufe der Zeit, haarfein, kaum zu sehen, ganz normal, oder doch nicht. Feine Risse, mit bloßem Auge kaum zu erkennen, mit den Fingerspitzen fuhr ich darüber und ertastete sie blind.
Da, was ist das, ein Riss, ach Quatsch, da ist nichts, doch, da ist was, fühl doch mal. Nein kann ich nicht oder kann ich doch. Und vielleicht hast du Recht, oder ich oder doch, oder doch nicht. Ich taumele allein in der Unendlichkeit des Alls, alles ist schwerelos, alles ganz leicht, alles ganz easy, wie von selbst fliege ich, ich brauche keine Kraft, ich fliege von selbst, ich weiß nicht wohin, es ist mir egal, es ist alles egal, die Erde entfernt sich, alles entfernt sich, du bist weit weg, doch du bist da, ein Fetzen deiner Stimme, deiner Stimme, die stumm ist, ich kann nichts verstehen oder doch. Ich vergesse die Stimme und die Erde und die Kontinente und den Riss, den feinen Riss, mit dem alles anfing und mit dem alles endete. Ich vergesse, ich vergesse nicht, doch, nein, ja, doch, vielleicht, vielleicht doch nicht.
Ich fliege im All und ich löse mich auf, meine Umrisse verschwimmen, es ist nicht klar, es ist nichts klar, es ist gut, alles ist leicht, ich fliege. Ich fliege und vergesse, hab schon alles vergessen, die Erde, die Kontinente, den Riss. Ich habe vergessen, zuzuhören und ja zu sagen, oder nein zu sagen oder doch oder nein, doch jetzt erst recht. Meine Gedanken lösen sich auf, bilden Spiralnebel im All, ich fliege hindurch, ein flirrendes Leuchten, ein helles Glimmern, ein Licht, oder dunkel oder doch.
von Sabine.
Entstanden am 14. Juli 24